Kategorien des Glücks

Glücklich-zu-werden und sein kleiner Bruder Sich-wohl-fühlen sind fundamentale Motoren des Lebens und der Evolution. Die Möglichkeiten der Glücksgewinnung reichen vom befriedigenden Genuss  von Speis und Trank bis zur Ekstase bei der Zeugung neuen Lebens.

So weit ich das überblicke lassen sich folgende 5 grundlegende Kategorien der Gewinnung von Wohlbefinden bis hin zum Glück unterscheiden:

Inneres Glück – Seligkeit

Das Glück des Seins, das ich besonders spüre, wenn ich ausgeruht weder hungrig noch voll gegessen entspannt und ohne Sorgen mich und meinen Körper von Wohlgefühl durchströmt erfahre. Dieses Glück kann ich durch gesunde Lebens- und Ernährungsweise, durch maßvollen Sport und vor allen durch transzendierende Meditation, Yoga im Sinne von Seinlassen, nichts anstreben und nichts abwehren unterstützen. Methoden, die „Seinserfahrungen“, Nirwana, Sat Chit Ananda ermöglichen oder sogar in den Alltag integrieren, sind äußerst nützlich. Mit sich  und in sich selbst zufrieden und glücklich sein können ist auch eine gute Basis für glückliche und dauerhafte Beziehungen.

Einheitserfahrungen

Existenz bedeutet aus der grenzenlosen Glückseligkeit des ewigen Seins in die Relativität und notwendige Widersprüchlichkeit des begrenzten und endlichen Daseins herauszutreten (griechisch ek-sistere), um nicht zu sagen hinaus getrieben zu werden (Entbindung). Dabei ist und bleibt der Mensch (wie jedes Lebewesen) ein Teil des Kosmos. Tiefes Glück empfinden auch manche Menschen, wenn sie Einheit oder Unendlichkeit in der Natur, auf dem Berggipfel, in einem herrlichen Wiesenthal, auf dem Rücken liegend in die Wolken schauend, beim Eintauchen in den Sternenhimmel usw. oder auch durch besonders tief anrührende Musik oder dem Anblick mancher Kunst- oder Bauwerke etc. erleben. Karlfried Graf Dürckheim nennt das „Seinsfühlungen“, Maslow „Peak-Expierience“.

Glück durch Gemeinschaft

Aber der Mensch ist nicht nur ein Einzel-, sondern auch grundlegend soziales Wesen. Glück erfahre ich daher auch wenn ich geliebt oder anerkannt werde. Auch die Zugehörigkeit zu einer Familie oder zu einer Gruppe, ja auch die Identität mit einer Kultur oder einem Volk können Sicherheit, Wohlbefinden ja auch Glück erzeugen, für das es sich sogar lohnt, sein Leben zu opfern.

Glück durch Erfolg

Eng damit verbunden ich auch das Glück durch Erfolg, durch Leistung, wenn ich etwas erreicht habe, sei es eine Erfindung, eine Arbeit, einen Handel, eine Organisation, einen sportlichen oder anderen  Sieg oder irgendein mir wichtig erscheinendes Ziel. Entweder gewinne ich dadurch Macht oder Geld, durch das ich weitere Glückbringer erreiche, oder die Anerkennung, Verehrung oder Liebe des Partners, der Familie oder Gruppe.

Glück durch körperlichen Genuss

Ein weiterer, sehr schneller und leichter und deswegen für viele primärer Weg der Glücksgewinnung sind Essen und Trinken bis hin zur Steigerung durch immer subtilere und stärkere Drogen. Das hängt damit zusammen, dass Atmen, in den Arm genommen werden und die Ernährung durch die weiche, warme Mutterbrust existentielle Grundbedingungen und damit auch mit Wohlbefinden und Glücksgefühlen verbunden sind.

Vollkommenes und nachhaltiges Glück habe ich theoretisch dann, wenn sich alle 5 Kategorien verbinden und potenzieren. Leider ist das in der Relativität des Dasein nicht oder nur annähernd möglich, trotz der Weisheit der Bhagavad Gita, der Bibel, des Korans und anderer und sehr praktikabler einfacher Methoden, die Essenz dieser Weisheiten umzusetzen, wie die Technik der Transzendentalen Meditation des Maharishi Mahesh Yogi und anderer Yoga-Systeme, Psychotherapien, Coaching, Psychosynthesen, Lebenskunst des Ayurveda etc. Das heißt nicht, dass diese Methoden nicht gut wären, im Gegenteil. Sie sind wichtig und notwendig und ein Segen für die Menschheit und für die Bewahrung der Mutter Erde, wo sie allmählich so dicht von dem kreativsten aber auch gefährlichsten Wesen bevölkert wird, das sie je hervorgebracht hat. Denn das Leben ist wie gesagt immer auch ein Zusammenleben vieler Individuen, deren Wünsche und Glückziele sich teilweise widersprechen.

Auch sind sich die Wege, Glück zu erlangen, teilweise gegenseitig hinderlich. Um einen Erfolg in der Firma zu haben, muss ich unter Umständen so viel arbeiten, dass ich meine Ernährung oder Ausgeruhtheit etc. vernachlässige oder dass meine persönlichen Beziehungen zu kurz kommen. Oder indem ich mich der Gesundheit und Meditation ausreichend widme, kann ich manche geselligen oder kulturellen Veranstaltungen nicht wahrnehmen oder habe zu wenig Erfolg beim Geldverdienen usw.

Auf jeden Fall sind die Kategorien und 1 und 2, das Seinsglück und das Beziehungsglück die elementaren, die nie länger vernachlässigt werden dürfen, denn sie sind die Äste auf denen wir sitzen.

© Dietrich Wachsmuth, Dausenau 25. Jan. 2011

Nachtrag 27. Jan. 2011

Ist das wirklich alles? In der letzten wieder oft wachen Nacht erinnerte ich mich: Nein!

Ich hatte es fast vergessen, wie ich als Schüler öfter von einem gewissen Mitschüler durch für ihn lustvollen Druck auf  für mich unerträgliche Schmerzpunkte gepeinigt worden war. Wie oft quälen sich gerade Geschwister bis auf Blut! In meiner Praxis habe ich gelegentlich auch ältere griesgrämige Leute kennen gelernt, die nur durch Gehässigkeiten zufrieden waren.

Es gibt auch Befriedigung, Lustgewinn bis hin zu Glücksgefühlen durch Verletzung, Erniedrigung, Verhöhnung oder Schädigung anderer Menschen! Manche Menschen können sich nur freuen, wenn sie andere übervorteilen oder wenn es anderen schlecht ergeht. Charles Dickens schildert so einen Typen in seiner Weihnachtsgeschichte. Dass der sich schließlich nach Horrorträumen zum Gutmenschen wandelt ist Dickens romantischer Wunschtraum aber nicht typisch. Wir glauben, dass der Mensch im innersten Kern gut ist. Aber die furchtbarste Entdeckung, die Dag Hammarskjöld, aus alter schwedischer Diplomatenfamilie als Uno-Generalsekretär in dieser Funktion machen musste: „Es gibt Menschen, die durch und durch böse sind.“

Wie ist das möglich? „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ postulierte Heraklit. Zerstörung und Tod sind notwendig, ja notwendig für das Leben. Wir alle Leben durch die Zerstörung – von Nahrungsmitteln und umso besser, je lebendiger die Nahrung ist (frisches Obst, Nüsse, Keime, aus denen neues Leben Entstehen könnte) und je gründlicher wir sie bis in die kleinsten Teile zerstören (kauen, verdauen, verstoffwechseln). In unserem Darm herrscht nach jeder Mahlzeit auf bakterieller Ebene der totale Krieg. Und dabei und anschließend fühlen wir uns wohl. In gewisser Weise müssen wir selber täglich sterben (Tiefschlaf), um weiter leben zu können. Je tiefer wir schlafen (loslassen), desto frischer auferstehen, leben wir.

Glück durch Zerstörung hat seine Basis auf der 5. Ebene sowie auf der Verbindung der 4. mit der 3. Ebene: Erfolg durch Sieg oder Macht über Mitmenschen.

Beim Erwachsenen persistierend oder gar dominierend ist diese Art der Glückserheischung biblisch gesprochen das Erbe Kains. Erfolg und des Erfolgs willen ohne Hege und Pflege der Mitbeteiligten. Millionenverdienste an Massenprodukten, an Konsumgütern, an Militärspielzeug – Luxus ohne Gefühl oder Verantwortung für die dadurch hungernden und sterbenden Millionen, sich unbequemer oder überlegen scheinender Mitarbeiter durch Belasten und Entlassen entledigen.

Auch das muss es in diesem Veda Lila, Spiel des Lebens, geben. Aber wir wollen und sollen nicht aufgeben, die ersten fünf Arten der Glückgewinnung zu fördern, die Evolution in Biodiversität zulassen und unterstützen.